Stephanuskapelle auf dem Friedhof Berliner Straße
Die Stephanuskapelle, erbaut 1351, war eine Andachtskapelle für die auf dem Weg nach Bad Wilsnack durch Wusterhausen ziehenden Pilger. Neben der Stadtkirche ist die Kapelle heute das älteste Gebäude der Stadt. Im Inneren befinden sich Fresken, welche Bilder aus der biblischen Geschichte darstellen.
Die Kapelle wird als Trauerhalle genutzt und kann innen nur auf Anfrage besichtigt werden.
1965 wurde die gotische Tür an der Nordseite zugemauert und an der Westseite das zweiflüglige Tor eingefügt. 1991 wurde das Dach der Kapelle neu eingedeckt und der Eingangsbereich erhielt eine Überdachung. Im Mittelalter wurde sie von Pestkranken genutzt, die, isoliert außerhalb der Stadt, den Tod erwarteten. Bei der Kapelle sollen sich Massengräber befunden haben. Danach diente der Platz um die Stephanuskapelle den Stadtarmen als Begräbnisplatz.
1581 wurde der bis dahin um die Stadtkirche herum befindliche Friedhof hierher verlagert. Chronisten sprechen von einer alten, kanzelartigen Linde, von der aus zweimal während der Betwochen gepredigt wurde.
Von 1860 – 1870 zur Zeit der Stationierung einer Eskadron des 11. bzw. 15. Ulanenregiments fanden hier katholische Gottesdienste statt.
Die Kapelle St. Stephanus – Eine mittelalterliche Kapelle vor den Toren der Stadt
Text: Dirk Schumann
Verlässt der Besucher den Marktplatz in Richtung Berlin (Süden), gelangt er hinter der Kreuzung mit der Dombrowskistraße – ehemals Heilige Geist Straße - an den Platz des ehemaligen Berliner Stadttores. Die Prignitzer nannten es auch lokalpatriotisch nach einem nahegelegenen Ort Kampehler Tor (Kampehl ist vielen vielleicht durch die dort gezeigte Mumie des Ritters Kahlbutz bekannt). Vor dem Tor, das im 19. Jahrhundert vollständig abgetragen worden ist, verlief der Mühlgraben. Dieser versorgte nicht nur die hier noch bis Mitte des 20.jahrhunderts betriebenen Mühlen, sondern er diente im Mittelalter auch dem Schutz der südöstlichen Flanke der Stadt.
Gleich hinter der ehemaligen Stadtmauer liegt unter schattigen Bäumen auf dem Friedhof die kleine Kapelle St. Stephanus.
Der heute als Friedhofskapelle genutzte Bau hatte jedoch nicht immer diese Funktion. Die Kapelle entstand an einer wichtigen aus Wusterhausen führenden Verkehrsachse. Wahrscheinlich handelt es sich um eine Straße, an der sich keines der drei mittelalterlichen Hospitäler der Stadt befand. Denn vor allem in den vor der Stadtmauer gelegenen Hospitalkapellen konnten Reisende noch einmal innehalten und für einen guten oder sogar erfolgreichen Verlauf der geplanten Reise oder des kommenden Wegabschnittes beten.
Wahrscheinlich sollte auch die Kapelle St. Stephanus einem solchen Zweck dienen. Mit der zunehmenden Reisetätigkeit nach der Entstehung des Wallfahrtsortes Wilsnack wurden viele solcher Kapellen errichtet, die sich außerhalb von Städten und Ortschaften befanden. Die Geschichte der Kapelle St Stephanus in Wusterhausen reicht jedoch in eine Zeit vor der Wilsnack-Wallfahrt zurück. Denn eine urkundliche Überlieferung belegt die Gründung der der Kapelle im Jahr 1351. Wie Friedrich Adler - der erste Chronist und Erforscher der märkischen Backsteinarchitektur – bereits 1898 feststellte, lässt sich der vorhandene Backsteinbau der Kapelle sehr gut mit einem solchen Gründungsdatum in Verbindung bringen. Die kleine einschiffige Kapelle mit dreiseitigem polygonalen Ostabschluss ist ein Bau von eleganten Proportionen. Noch zu Zeiten Friedrich Adlers besaß die Kapelle eine kleines Portal in der zu Stadt gerichteten Nordwand. Das wurde jedoch 1965 vermauert und durch ein neugeschaffenes Portal in der Westwand ersetzt. Nur wenige schmale lanzettförmige Fensteröffnungen beleuchten den flachgedeckten Innenraum. Doch entgegen der verschiedentlich in der Literatur zu finden Behauptung, dass die Fenster im 19. Jahrhundert verkleinert wurden und ihre heute Form erhielten, stammen sie vom Ursprungsbau und sind ein wichtiger Hinweis auf die Bauzeit der Kirche in der Mitte des 14. Jahrhunderts. Denn die mittelalterlichen Wandmalereien im Innenraum beziehen sich auf die vorhandenen Fenstergewände.
An der Außenwand sind an einigen Stellen kleine näpfchen- bzw. schälchenartige Vertiefungen zu finden. Diese stammen noch aus mittelalterlicher Zeit und sind an verschieden Kirchen und Kapellen zu finden, denen man eine besondere Bedeutung beimaß. So kann sie der aufmerksame Beobachter sie auch an einem Strebepfeiler der Wusterhausener Stadtkirche entdecken, der sich neben einem Portal befindet, das bereits um 1400 vermauert worden ist. Solche Schälchen treten oft in Kombination mit Rillen in der Nähe von Kirchenportalen oder auch an Sakristeien auf. Bei der Herstellung solcher Schälchen handelt es sich um ein magisches vorchristliches Brauchtum, dass sicher schon in die Vorgeschichte zurückreicht. Denn man kann solche Schälchen auch an jungsteinzeitlichen Großsteingräbern oder bronzezeitlichen Kultplätzen finden. Da es jedoch keine schriftlichen Überlieferungen dazu gibt, sind wir heute auf Vermutungen angewiesen. Eine Antwort könnte die Überlegungen aus der Volkskunde liefern, die eine Entnahme von Steinmehl aus heiligen Orten annimmt, das man dann mit zum Schutz mit sich geführt oder bei Krankheiten ins Essen gemischt hat. Einige dieser Praktiken konnten Volkskundler noch bis in das 19. Jahrhundert verfolgen.
Für die Wusterhausener Kapelle lässt sich vermuten, dass ihr im Zuge der ansteigenden Pilgerströme eine erhöhte Bedeutung zukam. Vielleicht befand sich in Ihr sogar ein Heiligenbild, dass Wunder bewirkte, was letztlich auch ein wichtiger Auslöser für die Wallfahrt ist. Der beliebte Erzmärtyer Stephanus würde sich durchaus für eine erhöhte Verehrung anbieten, denn er ist über das ganze Mittelalter hinweg sehr beliebt. Wie die Bibel überliefert, war Stephanus ein Diakon (geistliches Amt) der Urgemeinde der Jerusalemer Christen. Sein Bekenntnis zu Jesus Christus musste er mit dem Leben bezahlen, in dem er von Mitgliedern der Jerusalemer Ratsversammlung gesteinigt wurde. Deshalb wird der heilige Stephanus im Bild in der Regel mit drei Steinen dargestellt, die auf sein Martyrium verweisen.
Von der Neuordnung der kirchlichen Verhältnisse im Zuge der Reformation ist bekannt, dass die Kapelle St. Stephanus viele kleine Einkünfte und sogar ein Haus besaß, während der Wusterhausener Stadtschreiber die Aufsicht über die Kapelle führte.
Allerdings liefern diese Einkünfte der Kapelle keinen deutlichen Hinweis auf eine eigene Wallfahrt.
Schließlich ist die Kapelle nicht einmal wie geplant vollendet worden. Denn als man die Kapelle zu errichten begann, war eine Einwölbung vorbereitet worden. Dafür sprechen nicht nur die Strebepfeiler am dreiseitigen Ostabschluss. Im Innenraum führte man eckige Gewölbevorlagen aus, die jedoch in der Höhe der Fenstersolbank enden. Offenbar gab man die ursprüngliche Planung an dieser Stelle auf, weil das Geld ausging oder der Baugrund für ein Gewölbe nicht ausreichend stabil erschien.
Während der Außenbau der Kapelle ursprünglich backsteinsichtig war oder eine dünne Farbfassung besaß, auf der – wie in dieser Zeit üblich - noch einmal das Backsteinmauerwerk aufgemalt wurde, gibt es im Innenraum umfangreiche mittelalterliche Wandmalereien. Wie der Ortschronist Karl Altrichter 1888 überliefert, hat ein Bürgermeister die Wandmalereien aus Reinlichkeitsgründen übertünchen lassen. So waren diese katholischen mittelalterlichen Malereien nicht zu sehen, als die Kapelle zwischen 1860 und 1878 von hier stationierte Soldaten als katholischer Gottesdienstraum genutzt wurde.
Später wurden sie wieder freigelegt und 1965 schon einmal restauriert. Heue besitzen die im späten 15. Jahrhundert entstandenen Malereien wegen ihrer fast lebensgroßen Figuren und der gestenreichen Art der Darstellung eine große Bedeutung für die Kunstgeschichte, auch wenn sie nicht die höchste malerische Qualität verkörpern.
Die Szenen der Wandmalerei waren ursprünglich offenbar von links nach rechts zu lesen. Deutlich zu erkennen sind heute noch im Scheitel des Kapellenraums die Szenen der Verspottung und der Dornenkrönung Christi. Dabei benutzen die Schergen lange Stangen, und Christus die Dornenkrone schmerzhaft auf das Haupt zu drücken. Bei der vorangehenden Szene der Verspottung umgeben die sich verrenkenden Schergen Christus geradezu eifrig tänzelnd. Unter den Szenen befinden sich die Brustbilder verschiedener Heiliger, deren Attribute kaum noch zu erkennen sind.
In ihrer Dichte erinnern die Malereien daran, dass gotische Kirchenräume nicht selten aufwendig und reich ausgemalt waren. Das zeigen die restauratorischen Untersuchungen auch für die Wusterhausener Stadtkirche. Hier haben sich bis auf wenige Ausnahmen jedoch nur bescheidene Reste erhalten.