Das "Gericht" Nackel

In Nackel gab es schon immer die Überlieferung, dass an der Wegekreuzung nach Rohrlack eine Kindsmörderin hingerichtet worden sei. Der Ort, das „Gericht“ genannt, liegt heute am Pilgerweg Berlin-Wilsnack.

So lautet eine der Sagen:

Vor Zeiten soll eine Frau namens Vürig ihr Neugeborenes erdrosselt und den Schweinen vorgeworfen haben. Zur Strafe habe man sie am „Gericht“ von zwei Joch Ochsen auseinanderreißen lassen.
An der Wegekreuzung Barsikow-Garz-Rohrlack-Nackel liegt das „Gericht“. Die Sage von der Vürig ist wohl nicht wahr, aber Dorotheé Elisabeth Mücke, eine Magd aus Nackel, wurde am 28. Juni 1740 wegen Kindsmords vom Wusterhausener Scharfrichter in Nackel enthauptet und anschließend auf dem „Gericht“ zur Abschreckung auf das Rad geflochten. Sie hatte ihr Kind nach der Geburt erdrosselt, wie wir aus dem Todesurteil wissen. Damals waren Kindsmorde der häufigste Grund für Todesurteile an Frauen. Oft handelte es sich um Mägde, die fern von ihrer Familie dienten und nirgendwo Hilfe fanden.
Noch ein Unglück ereignete sich: Am 27. August 1740 erhängte sich Magret Sophie Wagner. Damals wurden Selbstmörder außerhalb eines Friedhofs oder auf Richtstätten verscharrt. Überliefert ist, dass sie der Scharfrichter im „Sack auf einem Schlitten hinaus zu der Gerichtsstätte gefahren und dort begraben“ hat.
Heute ein Platz zum Besinnen und Nachdenken - Das Gericht bei Nackel

Heute ein Platz zum Besinnen und Nachdenken - Das Gericht bei Nackel

Kopie des Todesurteils

Kopie des Todesurteils

Fakten 

Nicht nur die Überlieferung zum Ort blieb erhalten, die Nackeler erhielten den Ort über die Jahrhunderte. Auch der heutige Besitzer unterstützte aktiv die archäologische Grabung und die Neuanlage des Ortes, die von engagierten Einwohnern 2022 vorgenommen wurde.

Quellen

Ralf Dietrich M.A.: Geschichte und Geschichten zum Nackeler „Gericht", Grundlage des Beitrags im Jahrbuch OPR 2022

PDF Ausführliche Beschreibung des Kriminalfalls von 1740

Diskussion:

Kindsmörderinnen wurden auch 1740 noch nach der 1532 erschienenen "Carolina", der Halsgerichtsordnung Karls des V., zum "Säcken" verurteilt - man steckte sie mit Tieren in einen Sack und ertränkte sie. Eine Begnadigung zum - weniger schimpflichen und wohl auch weniger qualvollen - Köpfen mit dem Schwert war allerdings durchaus üblich. Als Begründung führte man das Fehlen eines geeignetes Gewässers an - so auch bei Dorotheé Elisabeth Mücke. Ihr Körper wurde aber nach dem Köpfen aufs Rad geflochten und an der Wegkreuzung zur Schau gestellt.

Die Überlieferung, die Kindsmörderin Vürig sei von 2 Joch Ochsen (also vier Ochsen, die zu zweit im Joch liefen) auseinandergerissen worden, könnte ins Reich der Sagen gehören. Zu Vierteilungen wurden eher Hochverräter und vor allem Männer verurteilt, diese Strafe war für Frauen unüblich - schon aus Gründen der "Schicklichkeit".
Die einzige Verbindung zu Ochsen oder zur Ochsenhäuten in Bezug auf eine Hinrichtung, die es gegeben haben könnte, ist eine strafverschärfende und zusätzlich schimpfliche  Maßnahme: Man wickelte die Delinquentin in eine Ochsenhaurt und schleift sie brutal zur Richtstatt. Ob die Überlieferung eines solchen Verfahrens zur Geschichte von den zwei Joch Ochsen geführt hat, können wir natürlich nicht mehr feststellen, da uns alle Unterlagen dazu fehlen.

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